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TV-Journalist Markus Spieker schreibt 1.000 Seiten über Jesus

Braucht es wirklich noch eine Jesus-Biografie? „Ja“, fand der Fernsehjournalist Markus Spieker (MDR) und veröffentlichte im Vorjahr einen Wälzer mit 1.000 Seiten. Hier erklärt er die Gründe dafür.

Markus Spieker, warum musste der Vielzahl der Jesus-Werke jetzt noch eine weitere Jesus-Biografie folgen?

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Das hat mehrere Gründe. Interessanterweise gibt es vor allem aus dem protestantischen Milieu in den letzten 100 Jahren eigentlich gar keine Jesus-Biografien. Protestanten scheinen sehr an systematischer Theologie interessiert, an Sachfragen. Und viele scheinen sich zu sagen: Wir haben doch die Bibel – was brauchen wir da noch eine Jesus-Biografie?

Außerdem lege ich keine klassische Lebensbeschreibung vor, sondern frage: Jesus kam nach christlichem Verständnis nicht „zufällig“ in die Welt, sondern zu einer bestimmten Zeit, absichtsvoll – wie ist das vonstatten gegangen, im jüdischen, griechischen, römischen und weltweiten Kontext? Ich wollte also die Vorgeschichte, sein Leben und dann auch das „Erbe“, die Folgen des Lebens Jesu unter die Lupe nehmen.

Und wie kommt jemand, der sich das Jahr über mit dem schnelllebigen Tagesgeschehen beschäftigt, dazu, so ein umfangreiches Jesus-Buch zu schreiben?

Zuerst bin ich als Pastorensohn mit der Bibel und ihren Geschichten viel eher konfrontiert worden als mit Zeitungen. Als Jugendlicher wollte ich Romanautor werden; dann habe ich Drehbuchschreiben gelernt, wollte ins Filmgeschäft und da Geschichten erzählen. Das war mir immer wichtig. Später habe ich Geschichte studiert – und dabei, was den Umgang mit Quellen angeht, das Handwerk gelernt, das ich jetzt gut einbringen kann. Also die Frage „Wie ist die Welt beschaffen abseits der Tagesaktualität?“ hat mich schon immer beschäftigt.

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Welche augenöffnenden Erkenntnisse werden denn in dem Buch zutage gefördert?

Ich habe sieben Jahre daran gearbeitet und hatte irgendwann den Anspruch, ungefähr 1.000 Sachen zu schreiben, die viele Leute nicht so auf dem Schirm haben, wenn’s um Jesus geht. Da kommt man schnell auf seine Menschenfreundlichkeit, wie zugewandt er dem Leben ist: vor allem seine unglaublich sympathische Haltung gegenüber Minderheiten, gegenüber Armen, Frauen und Kindern. Das war für seine Zeit bemerkenswert. Die Leichtigkeit, mit der er sich durchs Leben bewegt, wirkt unangestrengt. Er legt eine große Lockerheit an den Tag, streift fast ein bisschen „ziellos“ durchs Land. Die Art, wie er lebt – er ist viel zu Fuß unterwegs, genussfreudig, isst gerne, mag Geselligkeit – ist in allem sehr „modern“.

Dann ist seine Haltung zur „Institution“ Kirche interessant: Jesus war sehr kritisch gegenüber der Macht und ihrer Ausübung …

Jesus Statue Lissabon Pixabay
Die Jesus-Statue in Lissabon (Pixabay)

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Da will ich einhaken. Die Beispiele eben – die Haltung von Jesus für Kinder, für Arme, für Frauen … das Moderne bei ihm – zeigen eine Kluft: Das ist nicht das, wofür Kirche gemeinhin in der Historie steht …

… und nicht nur Kirche. Jesus zeigt sich kritisch gegenüber dem Establishment, gegenüber gesellschaftlichen und kulturellen Eliten, den Bescheidwissern seiner Zeit. Und er weiß um die toxische Wirkung der Macht. Jesus blockt da konsequent ab. Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt dagegen: Auch Christen können mit Macht nicht umgehen. Es ist tragisch: Die Geschichte ist voll von Pastoren, Päpsten und Bischöfen, die einen guten Anfang genommen haben, dann aber an ihrer Popularität scheitern und ihre Macht gegenüber den „einfachen“ Gläubigen ausnutzen.

Das Spannende finde ich, dass sich gleichzeitig immer wieder von Jesus und der Bibel inspirierte Gegenbewegungen bilden. Da könnte man viele aufzählen, von Franz von Assisi bis zu Sophie Scholl oder Dietrich Bonhoeffer. Es kennzeichnet die Geschichte der Christenheit, dass sich immer wieder gute christliche Entwicklungen nachträglich durchsetzen. Kein Mensch käme heute auf die Idee, die sogenannten „Deutschen Christen“ zu loben, die unter Hitler mit den Nazis sympathisiert haben – aber alle finden Sophie Scholl und Dietrich Bonhoeffer toll. Und kein Mensch sagt heute, die Kreuzritter, die in Jerusalem einmarschiert sind, hätten das gut gemacht – sondern alle schätzen einen gläubigen Menschen wie Franz von Assisi, der den Dialog mit Muslimen gesucht hat.

Sieht man also angesichts der Unsitten und Fehlentwicklungen in der Kirche die positiven Pendelschläge, bewahrt das vor Verzweiflung?

Absolut! In den vergangenen 2.000 Jahren ist die Riege der Autoren, Maler, Künstler und Wissenschaftler, aus Leuten im sozialen-karitativen Bereich – bis heute verwirklichen ja viele Christen die Liebe Jesu – so groß, dass sich ein positives Bild ergibt.

Jesus ist nicht nur ein Häppchen! Sondern er ist sozusagen das ganze Menü.

Das Buch beißt groß ab, soll nicht weniger als „eine Weltgeschichte“ sein. Warum ist dieser hohe Anspruch gerechtfertigt?

Also, bei Jesus ist er sowieso gerechtfertigt. Wenn jemand mit dem Anspruch auftritt, Gott selbst zu offenbaren, dann kann man auch groß an die Sache herangehen. Es gibt heute alle möglichen Menschen und Bewegungen, die viel Gewicht in die Waagschale legen – Christen verkaufen sich da manchmal für meine Begriffe unter Wert. Darum wollte ich einen dicken Aufschlag versuchen, auch ästhetisch: Die Leute sollten einen richtigen Wälzer haben, auf dem „Jesus“ steht. Ich will damit zeigen: Jesus ist nicht nur ein Häppchen! Sondern er ist sozusagen das ganze Menü.

Kommen wir zu den Folgen: Wo zeigt sich das Erbe, wo werden über die Jahrtausende die Folgen des Wirkens Jesu sichtbar?

An ungezählten Stellen. Da sind im Bereich Soziale Gerechtigkeit die Menschenrechte, die Befreiung der Sklaven, an denen Christen an wichtigen Stellen beteiligt waren, William Wilberforce oder Martin Luther King zum Beispiel.

Mit Blick auf den Durchbruch der modernen Wissenschaft wissen wir, dass sich im Hochmittelalter die Scholastik, die Erkenntnis, empirisches Denken, das basiert auf Experimenten und Erfahrung, allmählich durchgesetzt hat. Und in der Frühneuzeit haben beispielsweise Leute wie Nikolaus Kopernikus oder Johannes Kepler, überzeugte Christen, die Grundlagen der modernen Wissenschaft geschaffen. Ein interessanter Aspekt ist: Bis ins Mittelalter war Wissenschaft wenig praktisch ausgerichtet. Und manche sagen: Dass Jesus Zimmermannssohn war und praktische Arbeit geadelt hat – das war eine Grundlage dafür, dass irgendwann Wissenschaftler gesagt haben: Wir lehren jetzt nicht nur am Königshof, wir fassen selber an, bauen Mikroskope, machen Experimente, wir forschen, wie das Leben funktioniert. Das war direkt vom Leben Jesu inspiriert.

Auch in Kunst und Kultur lassen sich, dem Buch zufolge, christliche Spuren entdecken.

In der Tat. Was etwa Musik betrifft, gibt es den empirischen Befund, dass fast alle Innovation – klassische Musik, die Polyphonie, das Sinfonische, das Orchester, das Notenschreiben – von Christen umgesetzt wurde. In der Malerei sind Christen bei der Erfindung der Perspektive mit am Werk gewesen. Im Unterschied etwa zum Islam, wo sich das Bilderverbot durchgesetzt hat, haben Christen gesagt: Gott hat sich uns offenbart als Mensch – und damit auch den Menschen in seiner Schönheit geadelt – und deshalb können wir das auch darstellen.

Beim Schreiben hatte ich immer neue Aha-Effekte. Nur ein Beispiel: Bei der Beschäftigung mit dem bekannten Weihnachtslied „Oh du fröhliche“ bin ich auf die Lebensgeschichte des Dichters Johannes-Daniel Falk gestoßen. Der war Literat im Umfeld von Goethe, ein scharfer Geist, eigentlich Satiriker – und kommt, ausgelöst durch extreme Lebenskrisen, auf die Idee: Ich will mich künftig um Waisenkinder kümmern. Und tatsächlich gründet er in Weimar eine Waisen-Einrichtung. In den Tagebüchern, die von Falk überliefert sind, kommt eine große Jesus-Liebe und eine christliche Motivation für sein Handeln zum Ausdruck.

Wenn Menschen am Ende das dicke Jesus-Buch zuklappen: Welcher Eindruck sollte bleiben?

Als jemand, der sich deutlich als Jesus-Nachfolger geoutet hat, wünsche ich mir, dass alle, die sich damit auseinandersetzen, verstehen, dass Jesus brandaktuell ist. Und dass Jesus das Wichtigste ist, mit dem sie sich in dieser Welt beschäftigen können.

Vielen Dank für das Gespräch! 


Das Interview führte Jörg Podworny, Redakteur der Zeitschrift lebenslust. Es erschien in der Ausgabe 01/21. lebenslust ist ein Produkt des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört. Die Jesus-Biografie von Markus Spieker heißt „Jesus. Eine Weltgeschichte“ und ist im fontis-Verlag erschienen. 

 

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